Verfassungsrechtliche Zweifel an der sog. Mindestbesteuerung

26.08.2013

Der BFH hat am 26.08.2010 I B 49/10 in einem Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes entschieden, dass die sog. Mindestbesteuerung in bestimmten
Situationen zu einer verfassungsrechtlich unangemessenen Besteuerung führen
kann.

Seit 2004 dürfen in den Vorjahren nicht ausgeglichene negative Einkünfte in
den folgenden Veranlagungszeiträumen zwar bis zur Höhe von 1 Mio. Euro
unbeschränkt von einem entsprechend hohen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte
abgezogen werden, ein übersteigender Verlustbetrag aber nur bis zu 60% des 1
Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte. Bei einem bestehenden
Verlustvortrag in Höhe von z. B. 3 Mio. Euro und einem zu versteuernden
Einkommen vor Verlustausgleich im aktuellen Jahr in Höhe von z. B. 2 Mio. Euro
bedeutet das: Es können lediglich 1,6 Mio. Euro der Verluste ausgeglichen
werden, während für 400 000 Euro Steuern anfallen. Die verbleibenden Verluste
können erst in den Folgejahren abgezogen werden.

Allgemein wird in dieser liquiditätsbelastenden zeitlichen „Streckung“ des
Verlustabzugs kein Verfassungsverstoß gesehen. Das gilt aber nur solange, wie
ein Abzug der verbleibenden Verluste in den Folgejahren prinzipiell möglich ist.
Bedenken bestehen jedoch, wenn es zu einem endgültigen Fortfall der
Verlustnutzungsmöglichkeit kommt. Diesen Bedenken hat sich der BFH nun
angeschlossen.

Das konkrete Verfahren betraf eine GmbH, die hohe Verluste erwirtschaftet und
diese wegen der Mindestbesteuerung nur teilweise abziehen konnte. In der
Folgezeit kam es zu einer Umstrukturierung und einem Gesellschafterwechsel, der
dazu führte, dass der wegen der Mindestbesteuerung nicht ausgenutzte
Verlustvortrag nach § 8c KStG in Gänze verloren ging. Der BFH hat ernstliche
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung, soweit sie für einen
derartigen endgültigen Ausfall des Verlustabzugs keine gesetzliche Vorsorge
trifft. Er erwägt deswegen eine verfassungskonforme Normauslegung. Offen bleibt,
ob § 8c KStG nicht seinerseits Verfassungsbedenken aufwirft.

(BFH-Pressemitteilung vom 27.10.2010)

Das Urteil im Volltext